Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Stunde der Berufsrevolutionäre

Berlin hat als Hauptstadt der Demonstrationen einen Rekord aufgestellt. Bis Mitte Dezember gab es nach Angaben der Polizei 4200 Kundgebungen und Aufmärsche. Im Vorjahr seien es noch 3800 gewesen, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt der Nachrichtenagentur dpa.*
* http://www.berliner-zeitung.de/berlin/hauptstadt-mit-rekordzahl-an-demonstrationen,10809148,25729374,view,asTicker.html



Sabine Rennefanz von der „Berliner Zeitung“ macht es sich zu einfach, wenn sie schreibt: „Der Streit um die Notunterkunft in Hellersdorf, die Zustände in dem Camp am Oranienplatz in Kreuzberg – das bewegte die Berliner wochenlang.“ („Stadtbild zu Demos in Berlin Jeden Tag eine Revolution“). Kundgebungen gegen Gentrifizierung gehören natürlich auch in diese Aufzählung.

Es sind wohl neben den Demos gegen Fluglärm u. ä., in denen sich tatsächlich Betroffene äußern, vor allem Demos, auf denen sich selbsternannte Berufsrevolutionäre tummeln. Man schaue sich die Bilder von o .g. Demos an – es scheinen neben den Asylsuchenden immer die gleichen (meist jungen) Gesichter aufzutauchen. Ähnliches ließe sich ja auch von den sog. Mauerschützern sagen.

Nun will ich demokratische Zivilcourage nicht verdammen; nur ließe sich fragen, wer ständig auf dieser anerkannten Vielzahl von Demos sein kann. Vermutlich muss man keinen Job haben, aber die Ideologie in sich tragen, zum Weltrevolutionär berufen zu sein. Dafür scheint Berlin der ideale Boden zu sein – Probleme en masse, „gutmenschliche“ Sympathisanten ebenfalls en masse und eine dazu gehörige Boulevardpresse.

Es ist sicher nicht vermessen, Berlin für die nächsten Jahre eine weiter steigende Zahl an Demos und „Berufsrevolutionären“ vorauszusagen.

 

Sonntag, 8. Dezember 2013

Die virtuelle Einsamkeit

Unter dem Titel „Vernetzt und allein. Die Einsamkeit auf Facebook“ thematisierte Philipp Laage in der „Berliner Zeitung“ vom 4. Dezember 2013 den (scheinbaren) Widerspruch zwischen virtueller Vernetzung und realer Einsamkeit; wobei Facebook als Beispiel diente:
Es gibt offenbar einen Widerspruch: Fast jeder ist in eine große virtuelle Gemeinschaft eingebunden, doch das Gefühl dazu passt nicht. Das zeigen auch neuere Studien über das größte soziale Netzwerk Facebook, die zunehmend kritischere Ergebnisse liefern. Wissenschaftler um den Psychologen Ethan Kross von der University of Michigan fanden zum Beispiel heraus, dass die Nutzung von Facebook das subjektive Wohlbefinden junger Menschen eher reduziert als steigert, obwohl das Netzwerk ja eigentlich das Grundbedürfnis nach Austausch und Kommunikation befriedigen müsste.“

Vorab: Ich habe selbst ein Facebook-Profil, nutze dieses auch und kann mich wohl vom Vorwurf der Unkenntnis damit distanzieren.
Die Nutzung von Facebook – und anderen Netzwerken – kann nur begriffen werden, wenn man sich klarmacht, dass damit auf dem Weg der Flucht aus der Realität wieder ein Schritt zurückgelegt wurde. Der Anfang ist im ständig steigenden TV-Konsum zu suchen (derzeit über 4 h täglich in Deutschland). Beliebt sind dabei Serien – deutscher oder amerikanischer Machart -, die keineswegs das reale Leben von „Otto Normalverbraucher“ widerspiegeln. Es ist zu vermuten, dass die Beliebtheit korreliert mit der Unzufriedenheit über die eigene Gestaltung des Lebens. Wobei dies einhergehen kann mit zunehmender Anspruchslosigkeit im Privatleben.
TV-Konsum schafft damit zwar die gewünschte Abwechslung; bietet damit aber keinen Raum für Eigendarstellung (dass das TV dem mittlerweile entgegenkommt mit „DSDS“ u. ä. blende ich hier bewusst aus). Diese – besonders von jungen Leuten gefühlte – Lücke scheinen nun Facebook, Twitter u. a. auszufüllen. Hier können Menschen Selbstbeschreibungen abliefern; sich Freunde suchen, indem man einfach deren Profil anklickt; Erlebnisse schildert, die manchmal nur im Jubel über ein Ergebnis im Online-Spiel besteht.

Das Entscheidende besteht darin, dass Facebook – um jetzt bei diesem Netzwerk zu bleiben – oftmals Kontakte aufbaut, die nicht durch Eigenerleben gedeckt sind. Freundschaften entstehen durch gemeinsam Erlebtes, möglichst über einen langen Zeitraum. Darauf aufbauend (!) kann Facebook diese Kontakte erhalten, vielleicht sogar verstärken. Aber dieses Eigenerleben – auch im Sinne eines selbst geplanten „Events“ – scheint mehr und mehr zu fehlen. Möglicherweise ist es auch die Furcht, sich bloßzustellen, sich als der fehlerhafte Mensch zu präsentieren, der man wie jede/r andere Mensch ist. Abgesehen von der Tatsache, dass die Lebenszeit, welche man online verbringt, real verloren ist.
Kurz: Das Hauptproblem, welches o .g. Widerspruch birgt, ist die Antriebslosigkeit vieler Menschen – durchaus nicht nur junger Leute -; besonders in der realen Kommunikation.